Dieses Kapitel behandelt die gesetzlichen Bestimmungen zur Wildbrethygiene, die Rolle des Jägers im Lebensmittelrecht, die Aufgaben der kundigen Person bei der Fleischbeschau sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Verkauf und die Vermarktung von Wildbret.
Seit 1. Januar 2006 bildet das europäische Hygienerecht für Lebensmittel das rechtliche Fundament für die Wildbrethygiene. Dieses umfassende Regelwerk besteht aus zwei zentralen EU-Verordnungen:
- Verordnung (EG) Nr. 852
/2004 - Allgemeine Lebensmittelhygiene - Verordnung (EG) Nr. 853
/2004 - Spezifische Hygieneanforderungen für tierische Lebensmittel
Die Umsetzung in Österreich erfolgt darüber hinaus durch das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG, BGBl. I Nr. 13
Lebensmittelunternehmer sind Personen oder Unternehmen, die verantwortlich dafür sind, dass in ihrem Tätigkeitsbereich alle lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.
Inverkehrbringen umfasst jede Form der Bereitstellung von Lebensmitteln für andere Personen - sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich, einschließlich Verkauf, Verschenken oder sonstiger Weitergabe.
Primärproduktion umfasst bei der Jagd das Erlegen sowie das anschließende Aufbrechen und Ausweiden des Wildes. Weitergehende Bearbeitungsschritte wie Häuten oder Zerlegen zählen bereits zur Verarbeitung.
Kundige Person (gemäß EU-VO 853
- Anatomie: Normale Anatomie, Physiologie und Verhaltensweisen von frei lebendem Wild
- Pathologie: Abnorme Verhaltensweisen und pathologische Veränderungen beim Wild
- Hygiene: Hygiene- und Verfahrensvorschriften für den Umgang mit Wildkörpern
- Rechtsvorschriften: Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Gesundheit und Hygiene
Für erlegtes Wild stehen grundsätzlich 3 rechtliche Verwertungswege zur Verfügung:
- Eigenbedarf: Verwendung für den persönlichen Verzehr ohne Inverkehrbringen (§ 53 Abs. 3 LMSVG)
- Direktvermarktung: Direkte Abgabe kleiner Mengen an Endverbraucher oder örtliche Einzelhandelsunternehmen (§ 11 LMSVG, §§ 5-7 LMHDV)
- Wildbearbeitungsbetrieb: Verkauf an zugelassene Verarbeitungsbetriebe für den gewerblichen Vertrieb (§ 53 Abs. 1, § 54 LMSVG)
Frei lebendes Wild bezeichnet jagdbare Huftiere, Hasentiere und andere Landsäugetiere sowie Federwild in freier Wildbahn. Die rechtliche Einteilung erfolgt in:
- Großwild: Alle Wildarten außer Kleinwild (hauptsächlich Schalenwild)
- Kleinwild: Hasentiere und Federwild
Wild aus freier Wildbahn ist unter bestimmten Voraussetzungen von der amtlichen Untersuchungspflicht ausgenommen, wenn es für den Eigenbedarf des Tierhalters verwendet wird (§ 53 Abs. 3 LMSVG).
- Schlachtungsvoraussetzungen (§ 53 Abs. 3 Z 1 LMSVG):
- Nicht gewerblich: Die Schlachtung darf nicht in gewerblichen oder industriellen Betrieben erfolgen
- Getrennte Schlachtung: Die Schlachtung darf nicht gemeinsam mit anderen Tieren, die der Schlachttier- und Fleischuntersuchung unterliegen, erfolgen
- Verarbeitungsvoraussetzungen (§ 53 Abs. 3 Z 2 LMSVG):
- Getrennte Lagerung: Das Fleisch darf nicht mit Fleisch, das in Verkehr gebracht wird, bearbeitet oder gelagert werden
- Gesundheitliche Voraussetzungen (§ 53 Abs. 3 Z 3 LMSVG):
- Seuchenfrei: Beim Tier darf kein Seuchenverdacht gegeben sein
- Gesund: Das Tier darf keine Krankheitserscheinungen zeigen, die einen Einfluss auf die Verwendbarkeit als Lebensmittel haben
- Rückstandsfrei: Es darf kein Verdacht auf höhere als erlaubte Rückstände gegeben sein
Jäger, die erlegtes Wild vermarkten, werden rechtlich als Primärproduzenten im Lebensmittelbereich eingestuft und unterliegen den entsprechenden gesetzlichen Hygienevorschriften.
Folgende Pflichten obliegen dem Jäger:
- Ordnungsgemäße Erlegung und anschließende Wildbehandlung
- Einhaltung aller hygienerechtlichen Vorgaben
- Führung der vorgeschriebenen Dokumentation
- Zusammenarbeit mit kundigen Personen
Die wichtigste Verpflichtung des Jägers ist der umfassende Kontaminationsschutz des Wildbrets. Dies bedeutet Schutz vor Verunreinigungen durch Umwelteinflüsse, verschmutztes Wasser, Chemikalien wie Düngemittel, Pflanzenschutzmittel oder Tierarzneimittel.
Ausrüstungshygiene:
- Sämtliche Geräte, Behälter, Transportmittel und Fahrzeuge müssen hygienisch einwandfrei sein
- Mehrfach verwendbare Gegenstände sind nach jeder Nutzung zu reinigen und desinfizieren
Wasserstandards:
- Ausschließlich Trinkwasser oder hygienisch einwandfreies Wasser verwenden
- Natürliches Quellwasser erfüllt diese Anforderungen
Personalhygiene:
- Sämtliche beteiligten Personen müssen gesundheitlich unbedenklich und fachlich qualifiziert sein
Kontaminationsprävention:
- Umfassender Schutz vor Haustieren und Schädlingen erforderlich
Dokumentiert werden muss:
- Art und Herkunft verwendeter Futtermittel
- Krankheitsverdacht oder nachgewiesene Erkrankungen
- Untersuchungsergebnisse
Die Direktvermarktung stellt eine Erleichterung für Jäger dar, die begrenzte Mengen ihres selbst erlegten Wildes unmittelbar an Verbraucher oder lokale Einzelhändler abgeben möchten - ohne die sonst erforderliche amtstierärztliche Fleischuntersuchung (§ 11 LMSVG, § 53 Abs. 5 LMSVG).
Grundvoraussetzungen (§ 6 LMHDV):
- Abgabe nur frisch, nicht tiefgekühlt, nicht gehäutet und im Ganzen (§ 1 LMHDV)
- Nur selbst erlegtes Wild (§ 6 Z 1 LMHDV)
Untersuchung (§ 6 Z 1 LMHDV):
- Untersuchung durch kundige Person (§ 27 Abs. 3 LMSVG)
- Trichinellenuntersuchung(parasitäre Infektionskrankheit) für anfällige Arten nach Verordnung (EG) Nr. 2075
/2005 - Untersuchung muss so bald wie möglich nach dem Erlegen stattfinden
Dokumentation (§ 6 Z 2 LMHDV):
- Aufzeichnungen über durchgeführte Untersuchungen
- Meldung bei auffälligem Befund an amtlichen Tierarzt
- Berichterstattung an Landeshauptmann nach dessen Anweisungen
Kühlung und Ausweiden (§ 6 Z 3 LMHDV):
- Kühlung auf nicht mehr als +4°C innerhalb angemessener Zeit
- Magen und Gedärme müssen sobald wie möglich entfernt werden
- Soweit klimatische Verhältnisse erlauben, ist aktive Kühlung nicht erforderlich
Vermarktungsfrist (§ 6 Z 5 LMHDV):
- Vermarktung binnen 7 Tagen nach dem Erlegen
Folgende Bestimmungen unterscheiden sich:
Untersuchung (§ 5 Z 2 LMHDV):
- Untersuchung von Wildkörper und allen Eingeweiden (außer Magen und Darm) - im Gegensatz zu Kleinwild, wo nur Wildkörper
Bescheinigung (§ 5 Z 3 LMHDV):
- Bei unauffälligem Befund: nummerierte Bescheinigung durch kundige Person erforderlich
- Angabe von Datum, Zeitpunkt und Ort der Erlegung durch Jäger
- Bescheinigung als Anhänger am Tierkörper anbringen
Kühlung (§ 5 Z 5 LMHDV):
- Wildkörper auf nicht mehr als +7°C innerhalb angemessener Zeit (statt +4°C bei Kleinwild)
- Eingeweide für menschlichen Verzehr auf nicht mehr als +3°C
Zerwirken heißt, ein erlegtes Stück Wild fachgerecht in verwertbare Teile wie Rücken, Keule, Schulter, Blätter, Hals, Rippen usw. zu zerlegen.
Zerwirktes Wild meint also das bereits in Portionen zerlegte, küchenfertige Wildbret.
Für zerwirktes Wild gelten dieselben Hygienevoraussetzungen wie für Groß- bzw. Kleinwild.
Darüber hinaus sind die folgenden Bestimmungen zu erfüllen:
Verarbeitung (§ 7 Z 1 LMHDV):
- Entbluten, Enthäuten oder Rupfen ohne ungebührliche Verzögerung
- Vermeidung jeder Kontamination des Fleisches
- Vorkehrungen zur Verhinderung des Auslaufens von Magen- und Darminhalt bei Kleinwild
Transport (§ 7 Z 2 LMHDV):
- Transport unter Berücksichtigung von Transportdauer, -bedingungen und -mittel
- Vorgeschriebene Temperaturen dürfen nicht überschritten werden
Kennzeichnung (§ 7 Z 3 LMHDV):
- Obligatorische Kennzeichnung mit dem Hinweis „Wildbret aus Direktvermarktung"
- Nennung des Jagdgebietes
Bei der Abgabe von Wild an zugelassene Wildbearbeitungsbetriebe oder Sammelstellen gelten die EU-Bestimmungen der Verordnung 852
Für Kleinwild gelten dieselben Grundvoraussetzungen wie bei der Direktvermarktung.
Folgende Bestimmungen unterscheiden sich:
Ausweiden (§ 53 LMSVG, Verordnung (EG) Nr. 853
- Magen-Darm-Trakt muss bei Kleinwild nicht vor Ort entfernt werden (im Gegensatz zur Direktvermarktung)
- Tierkörper müssen im Wildbearbeitungsbetrieb ohne ungerechtfertigte Verzögerung ausgeweidet werden
Amtstierärztliche Fleischuntersuchung (§ 54 LMSVG):
- Jedes erlegte Stück muss im Wildbearbeitungsbetrieb durch einen amtlichen Tierarzt untersucht werden (zusätzlich zur kundigen Person)
Für Großwild gelten dieselben Grundvoraussetzungen wie bei der Direktvermarktung.
Folgende Bestimmungen unterscheiden sich:
Bescheinigung bei auffälligem Befund (Verordnung (EG) Nr. 853
Transport (§ 53 LMSVG):
- Während der Beförderung zum Wildbearbeitungsbetrieb muss das Übereinanderlegen von Wildkörpern vermieden werden
Amtstierärztliche Fleischuntersuchung (§ 54 LMSVG):
- Jedes erlegte Stück muss im Wildbearbeitungsbetrieb durch einen amtlichen Tierarzt untersucht werden (zusätzlich zur kundigen Person)