Zusammenfassung
Die Wildbrethygiene umfasst alle Maßnahmen zur hygienischen Gewinnung von Wildfleisch. Sie beginnt bereits vor dem Schuss mit der Planung. Das Ziel ist es einen sicheren Kammerschuss am breit stehenden Wild anzubringen. Bei der Versorgung gilt es auf Sauberkeit und Erhalt der Magen-Darm-Barriere zu achten, während gleichzeitig das Wild auf bedenkliche Merkmale überprüft wird. Im Anschluss ist ein rasches Auskühlen notwendig. Bei Schwarzwild muss auf die Entnahme von Proben zur Trichinenuntersuchung geachtet werden.
Grundlagen
Allgemeines
- Beginnt vor dem Schuss mit dem Ansprechen und Beobachten
- „Lebenduntersuchung“
- Endet erst nach dem Verzehr des Wildbrets
- Kenntnis rechtlicher Anforderungen notwendig
Treffpunktlage
- Ziel: Kammerschuss an breit stehendem Wild (ausgenommen krankes Wild)
- Waidwundschüsse → schnelles Aufbrechen
- Genauere Treffpunktlage bei Ansitzjagden als bei Bewegungsjagden
Versorgung
- Zur Versorgung von Wild gehören alle Tätigkeiten vom Aufbrechen bis zur gekühlten Lagerung, die der hygienischen Gewinnung des Lebensmittels Wildfleisch und der verwertbaren Organe dienen.
- Sachgemäße Versorgung nach dem Erlegen → Hohe Qualität des Wildbrets
- Unterteilung
- Aufbrechen
- Kühlung und Fleischreifung
- Abziehen der Haut und Zerwirken
- Zerwirken: Aus der Decke (Schwarte) schlagen und Zerlegen von Schalenwild in küchenfertige Wildbret-Portionen
Pflichten
Bei der Herstellung des Nahrungsmittels „Wildbret“ unterliegt der Jäger einigen Pflichten
- Prüfung auf bedenkliche Merkmale (vor und nach dem Schuss)
- Anordnung von amtlicher Fleischuntersuchung oder unschädliche Beseitigung bei Vorliegen bedenklicher Merkmale
- Qualitätserhaltung
- Vorbeugung von Kontamination
- Luftiges Aufhängen („Lüften“) zur raschen Auskühlung
- Fleischreifung
- Angemessene Ausstattung (Wildkammer)
- Verblenden: Abdecken des erlegten Wildes zum Schutz vor Raubwild
Aufbrechen
Allgemeines
- Definition: Herausnehmen der inneren Organe beim erlegten Schalenwild (Geräusch und Gescheide) mit Untersuchung auf bedenkliche Merkmale
- Gescheide: Organe der Bauchhöhle
- Kleines Gescheide
- Großes Gescheide
- Leber(mit Gallenblase), Milz, Niere, Bauchspeicheldrüse
- Leber und Gallenblase hängen zusammen
- Milz und Pansen/Magen hängen zusammen
- Aufbruch: Alle inneren Organe des erlegten Schalenwildes (Gescheide und Geräusch zusammen)
- Entspricht etwa 25 % des Lebendgewichts
- Ausweiden: Seltener benutzter Ausdruck für das Entfernen des Gescheides bei Wild, außer Schalenwild.
Grundsätze
- Sollte unverzüglich nach Erlegen des Wildes erfolgen
- Bei Drückjagden ist auf die Beendigung der Jagd oder auf Aufbrechpausen zu warten.
- Säuberung mit Trinkwasser
Entsorgung
- Aufbruch von Wild ohne bedenkliche Merkmale kann im selben Revier verbleiben
- Spaziergänger und Hunde sollen nicht mit Aufbruch und Zerwirkresten in Kontakt kommen.
- Bei Verdacht auf anzeigepflichtige Wildkrankheiten darf der Aufbruch nicht im Revier entsorgt werden.
Ortswahl
am Ort der Erlegung | in der Wildkammer | |
---|---|---|
Aufbrechzeit | früh | spät |
Transport | + | - |
Wasser | - | + |
Handling | - | + |
Hygiene | - | + |
Licht | - | + |
Wildkammerausstattung
Arbeitsmaterial
- Wasser (Trinkwasserqualität)
- Kanister (vor Ort)
- Schlauch (Wildkammer)
- Einmalhandschuhe
- Sauberes Arbeitsgerät
- Messer
- Jagdschere zum Aufbrechen des Schloss und Öffnen der Kammer
- Ggf. Säge zum Eröffnen des Kammer bei sehr starken Stücken
- Behälter zur Aufbewahrung des Aufbruchs
Praxistipps
Allgemeines
- Schlossnaht gibt Auskunft über das Alter des Stücks
- Junges Stück → Schlossnaht gut tastbar und weich
- Altes Stück → Schlossnaht kaum tastbar und hart
- Ausschneiden verschmutzter Schusswunden
- Bei starker Kontamination der Unterhaut das Stück aus der Decke schlagen
- Vorsicht: keine Verletzung von Gallenblase, Harnblase, Pansen und Gescheide
Schalenwild
- Verschiedene Techniken zum Aufbrechen
- Liegend: Häufige Anwendung am Erlegungsort
- Hängend: Meist an einem zentralen Ort zur Wildversorgung
- Haupt nach unten hängend
Vergleich
Durchführung | Vorteile | Nachteile | |
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Liegend |
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Hängend |
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|
MerkeDas Aufbrechen an einem zentralen Aufbrechplatz ermöglicht die besten Ergebnisse bei der Wildbrethygiene.
MerkeWann immer möglich sollte das Aufbrechen im Hängen gegenüber dem im Liegen vorgezogen werden.
Niederwild
Feldhase
Hühnervögel und Tauben
Aushakeln
- Definition: Herausnehmen des Gescheides mit einem Haken durch das Weidloch bei Federwild
- Synonyme: Aushaken, Ausziehen
- Nachteile
- Abreißen/Abtrennung von Magen und Darm → Magen-Darm-Inhalt kann in die Bauchhöhle gelangen
- Eingeweide werden verletzt und lassen sich schlecht auf bedenkliche Merkmale untersuchen
- Aus hygienischen Gründen wird das Aushakeln heutzutage unterlassen.
Kühlung
Allgemeines
- Abkühlen des Wildkörpers auf festgelegte Temperaturen, sobald möglich
- Bei niedrigen Außentemperaturen auch außerhalb einer Kühlzelle möglich
- Stücke in der Decke/Schwarte dürfen nicht zusammen mit Stücken ohne Decke/Schwarte in der Kühlzelle hängen.
Temperaturen
Dauer
- Kühlung bis die Totenstarre aufgehoben ist (nach ca. 32 – 96 Stunden)
- Je stärker das Stück, desto länger bis zum Erreichen einer ausreichenden Kerntemperatur
- Beispiel 1: Rothirsch bei + 4 °C → ≥ 40 Stunden bis Kerntemperatur von ca. 7 °C
- Beispiel 2: Rehbock bei + 4 °C → ca. 24 Stunden bis Kerntemperatur von ca. 7 °C
Fleischreifung
- Fleischreifung: Kühles Abhängen → Fleischreifung → Fleischqualität
- Abhängen erfolgt in der Decke/Schwarte.
- Dauer: 2 – 5 Tage bei Schalenwild
- Rehwild ca. 36 bis 48 Stunden
- Vorteile
- Säuerung des Fleisches → Haltbarkeit
- Geschmacksbildung
- Zartheit
Ungenügende Reifung
- Stress des Wildes (Hetze, Nachsuche)
- Krankheit
- Verhitzen
- Spätes Aufbrechen
- Heißes Wetter
- Falsche Lagerung
- Fäulnis: Zersetzung von organischen Stoffen wie Wildbret durch Bakterien bei Sauerstoffmangel
- Verwesung: Zersetzung von organischen Stoffen mit genügend Sauerstoff
Stickige Reifung
- Durch mangelhafte Auskühlung unbrauchbar gewordenes Wildbret
- Z.B. durch verspätetes Versorgen oder falschen Transport/Lagerung des Wildes.
- „es ist verhitzt“
- Merkmale
- Kupferrote bis rotbraune Fleischverfärbung
- Säuerlicher, muffiger Geruch
Hintergrund
- Mit Eintritt des Todes beginnen biochemische Prozesse, welche die Qualität des Fleisches bis hin zur Untauglichkeit zum Verzehr beeinflussen.
- Zusammenbruch der Magen-Darm-Barriere → Verteilung von Bakterien im Körper
- Aufhalten des Prozesses durch Kühlung
Einflussfaktoren
- Stärke/Konstitution des Stückes
- Umgebungstemperatur/Witterung/Jahreszeit
- Art des Transports → ungenügendes Auskühlen
- Zeit zwischen Verenden und Zeitpunkt des Aufbrechens
Wildbretuntersuchung
Unterteilung
Erlegtes Wild | Fallwild | Unfallwild | |
---|---|---|---|
Definition | Wild, das durch Schuss oder Abfangen getötet wurde | Wild, das weder durch Erlegen noch andere sichtbare äußere Gewalteinwirkung zum Tod gekommen ist (z.B. Krankheit, Hunger, Alter) | Wild, das nicht durch Erlegen, sondern andere äußere Gewalteinwirkung (z.B. Verkehr) getötet wurde |
Verwertbarkeit | genusstauglich |
| |
Bildbeispiel |
Amtliche Fleischuntersuchung
Allgemeines
- Das Ziel ist es, den Endverbraucher zu schützen und nur gesundes Wildbret zu vermarkten.
- Durchführung durch Amtstierärzte (Veterinäramt)
- Untersuchung aller Teile des Tieres (inklusive Blut)
- Nicht zerwirkter Wildkörper mit Aufbruch (Organen)
- Untersuchtes Wild wird mit Stempelabdrücken markiert.
- An Innenseite der Keulen, Bauchlappen, Rippenbögen und auf dem Brustbein
Wann muss eine amtliche Fleischuntersuchung verpflichtend durchgeführt werden?
Wann kann auf eine amtliche Fleischuntersuchung verzichtet werden?
- Grundvoraussetzung: Keine bedenklichen Merkmale
- Verwertung im Haushalt des Jägers
- Lokale Vermarktung in kleiner Menge
Praxis der Einsendung
- Einmalhandschuhe verwenden
- Abhalten des Hundes vom Wild
- Transport in vollständig verschließbaren Behältern
- Meldung an Amtstierarzt bei Seuchenverdacht
- Kennzeichnung: „Vorsicht: Tierisches Untersuchungsmaterial!“
Umweltkontamination
- Typisches Beispiel ist radioaktive Strahlung
- Relevantes Teilchen ist Cäsium-137
- Cäsiumbelastung v.a. Schwarzwild durch Brechen (z.B. nach Hirschtrüffeln) im Herbst und Winter
- Wildbret darf mit höchstens 600 Becquerel pro Kilogramm belastet sein
- Untersuchung von Muskulatur ohne Fett auf Radioaktivität
Trichinenuntersuchung/Trichinenschau
- Gesetzlich vorgeschrieben beiSchwarzwild, Waschbär und Dachs
- Allesfresser und Fleischfresser
- Wenn zum Verzehr durch Menschen vorgesehen
- Unabhängig vom Alter des Wildes
- Voraussetzungen zur Probenentnahme
- Schulung
- Beauftragung des Jägers durch die zuständige Veterinärbehörde
- Übertragung der Pflicht an Wildhändler, Metzgerei oder Restaurant möglich
- Missachtung der Pflicht ist eine Straftat
- Geldstrafe und Entzug des Jagdscheins sind möglich
- Testmethode: Verdauungsmethode durch Zuhilfenahme von Salzsäure und Pepsin
Praxisanleitung
- Entnahme von Muskulatur von Zwerchfellpfeiler und Vorderlauf zur Untersuchung
- Kennzeichnung mit Wildmarke und Wildursprungsschein
- Der Wildursprungsschein weist zusammen mit der Wildmarke die Zugehörigkeit von Wild und Trichinenprobe nach. Er ist damit eine Voraussetzung für das Inverkehrbringen des Wildbrets im Rahmen der Trichinenuntersuchung (§ 4a Tier-LMHV). Ein Wildursprungsschein kann auch in digitaler Form eingereicht werden.
- Bei Durchführung durch Behörde stempeln als „trichinenfrei“ auf Brustbein oder Keule
- Erst nach erfolgter Freigabe darf die Weiterverarbeitung zum Nahrungsmittel erfolgen (z.B. Zerwirken und Vermarktung)
- Kühlung und Abschwarten dürfen bereits vor der Freigabe erfolgen.
Waidmannssprache
Waidmannssprache | Laiensprache |
---|---|
Aufschärfen | Aufschneiden der Haut bei Wild |
Abschärfen | Abschneiden (z.B. mit dem Waidmesser) |
Aufbrechen | Herausnehmen des Geräuschs (Herz, Lunge, Leber, Milz und Nieren) und des Gescheides (Organe der Bauchhöhle) |
Ausnehmen | Ausweiden von kleinem Federwild |
Ausschweißen | Ausbluten lassen von erlegtem Wild |
Zerwirken | Zerlegen von Wild in küchenfertige Wildbret-Portionen |
Zerwirkraum | Spezieller Raum für das Zerlegen des Wildes |
Wildkammer | Spezieller Raum für die Lagerung und Verarbeitung von Wild |
Wildbret | Wildfleisch, das für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist |
Feist | Fett auf dem Wildbret bei Schalenwild (außer Schwarzwild: Weiß) |
Decke | Fell des Schalenwildes (außer Schwarzwild: Schwarte) |
aus der Decke schlagen | Abhäuten / Abziehen des Fells von Schalenwild |
Schwarte | Fell/Haut von Schwarzwild, Dachs und Bären |
Abschwarten | Abziehen der Schwarte bei Schwarzwild und Dachs |
Dachskern | Körper des Dachses ohne Schwarte. |
Balg | Behaarte Haut bei Haarraubwild (ausgenommen Bär und Dachs), Hase, Kaninchen, Biber und Murmeltier |
Abbalgen | Abziehen der Haut bei Niederwild, außer Rehwild (aus der Decke schlagen) und Dachs (Abschwarten), einschließlich allen Federwildes (Vogelbalg). |
Kern | Körper des Fuchses ohne Fell |
Abstreifen/Streifen | Abziehen der Haut bei Hasen, Kaninchen, Haarraubwild (außer Dachs und Bär) |
Ludern | Wildbret, das in Verwesung übergeht (genussuntauglich wird) |
Verhitzen | Wenn Wildbret zu langsam auskühlt und durch stickige Reifung genussuntauglich wird. |
Eingehen | Sterben von Wild durch Krankheit oder Hunger |
Verenden | Sterben von Wild durch die Jagd wie z. B. den Schuss oder auf natürlichem Wege |
Kochwildbret | Die weniger hochwertigen Teile des Wildbrets, welche gekocht werden. Hierzu gehören: Rippen, anhängende Bauchlappen, teilweise auch Träger und Kopf. |