Wildfolge und Nachsuche
Für den Revierinhaber endet das Recht zur Jagdausübung an der Reviergrenze. Die Jagdgrenze und damit das Nachbarrevier sind für den Jäger unantastbar. Die Wildfolge ist die notwendige Verfolgung von krankgeschossenem oder durch Unfall schwerkrankem Wild, das in ein fremdes Jagdrevier wechselt. Sie wird meist im Rahmen einer Nachsuche durchgeführt.
Die Regelung über die Wildfolge ist im Grunde ein Kompromiss zwischen dem Tierschutz und dem Schutz des fremden Jagdausübungsrechts.
Einerseits soll krankgeschossenes Wild möglichst rasch und unter Vermeidung von Schmerzen zur Strecke kommen (§ 22a BJG). Andererseits ist das Jagdausübungsrecht des Reviernachbarn zu respektieren. Wechselt Wild, das aufgrund anderer Ursachen schwerkrank oder verletzt ist, in das benachbarte Revier, so ist dies dem Inhaber des Nachbarreviers oder dessen Vertreter unverzüglich anzuzeigen. Ein Fangschuss über die Grenze hinweg ist beim krankgeschossenen Wild erlaubt (Art. 37 Abs. 3 BayJG).
Dieses Spannungsverhältnis hat das Gesetz je nach Standort des Wildes geregelt. Darüber hinausgehend können die Reviernachbarn schriftliche Vereinbarungen zur Wildfolge (Wildfolgevereinbarung) treffen (Art. 37 Abs. 1, 2, 5 BayJG). Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung abweichend von Art. 37 Abs. 1, 2, 3 BayJG Vorschriften zur Wildfolge durch anerkannte Nachsuchengespanne zu erlassen. Es kann insbesondere die Anforderungen, die Anerkennung und die Befugnisse von Nachsuchengespannen einschließlich des Führens von und des Schießens mit Schusswaffen regeln.
Anerkannte Nachsuchengespanne (ab 30. Dezember 2023)
Nach den bisherigen Regelungen musste eine Nachsuche an der Jagdreviergrenze unterbrochen werden, falls keine Vereinbarung mit dem Jagdnachbarn getroffen war. Um den Grenzübertritt rechtssicher zu ermöglichen und Tierleid möglichst zu verhindern, schafft (§ 20 AVBayJG) die Möglichkeit, dass Nachsuchengespanne behördlich anerkannt und mit besonderen Befugnissen ausgestattet werden.
Soweit der bestehende Bedarf nicht bereits gedeckt ist, können auf in Textform gestellten Antrag ein Nachsuchenführer und ein von ihm geführter Nachsuchenhund widerruflich und befristet als Nachsuchengespann anerkannt werden, wenn der Nachsuchenführer den Nachweis erbracht hat, dass er
- Inhaber eines gültigen Jahresjagdscheins ist,
- persönlich geeignet ist und Nachsuchen ordnungsgemäß und fachgerecht durchführen kann,
- bereit ist, Nachsuchen auf alle Schalenwildarten durchzuführen, und
- der Nachsuchenhund einer Jagdgebrauchshunderasse angehört sowie die erforderliche Eignung hat (§ 20 Abs. 1 AVBayJG).
Die Anerkennung eines Nachsuchengespanns erfolgt auf Antrag des Nachsuchenführers durch die höheren Jagdbehörden (Regierungen).
Das vom Revierinhaber oder einem vom Revierinhaber hierfür beauftragten Jagdausübenden mit einer Nachsuche auf Schalenwild beauftragte anerkannte Nachsuchengespann und eine vom Nachsuchenführer bestimmte Begleitperson, die Inhaber eines gültigen Jahresjagdscheins ist, dürfen zum Zweck der Nachsuche ohne Rücksicht auf etwaige Vereinbarungen nach Art. 37 Abs. 5 BayJG Reviergrenzen ohne Zustimmung der Revierinhaber überschreiten, geeignete Langwaffen führen und mit diesen schießen und krankgeschossenes oder verletztes Schalenwild erlegen (§ 20 Abs. 2 AVBayJG).
Der beauftragende Revierinhaber oder der von diesem hierfür beauftragte Jagdausübende hat den Revierinhaber, in dessen Revier das Schalenwild zur Strecke gekommen ist, unverzüglich zu benachrichtigen und das Schalenwild zu versorgen; Art. 37 Abs. 3 Satz 6 BayJG gilt entsprechend (§ 20 Abs. 3 AVBayJG).
Fangschuss über die Reviergrenze möglich
Das krankgeschossene Wild (alle Arten!) ist für einen sicheren Schuss erreichbar
(Art. 37 Abs. 3 BayJG):
- Pflicht (!) des Schützen zur Abgabe des Fangschusses vom eigenen Revier aus,
- Pflicht des Schützen zum Versorgen des erlegten Schalenwildes am Erlegungsort im Nachbarrevier,
- Schalenwild: Belassen des Stückes am Erlegungsort, Pflicht zur unverzüglichen Benachrichtigung des Revierinhabers,
- Übriges Wild: Mitnahme des erlegten Wildes, Pflicht zur unverzüglichen Ablieferung an den Revierinhaber.
- Betreten des Nachbarreviers nur mit ungeladener Waffe (= ohne Patrone in Lauf und Magazin) erlaubt.
Fangschuss über die Reviergrenze nicht möglich
Das krankgeschossene Wild ist außerhalb der Sichtweite (von der Reviergrenze her betrachtet) und für einen sicheren Schuss nicht erreichbar (Art. 37 Abs. 1, 2, 5 BayJG):
- Pflicht des Schützen zur Markierung des Anschusses und der Stelle des Überwechselns,
- Pflicht des Schützen zu unverzüglicher Benachrichtigung des Revierinhabers,
- Pflicht des Schützen, sich zur Nachsuche zur Verfügung zu stellen.
Eine Nachsuche im Nachbarrevier ist nur bei schriftlicher Vereinbarung (Wildfolgevereinbarung) erlaubt.
Trophäen
Trophäen und Wildbret gehören beide dem Revierinhaber (Art. 37 Abs. 4 BayJG).
Der Abschuss wird auf den Abschussplan des Schützen angerechnet,
Art. 37 Abs. 4 S. 2 BayJG.
Befriedete Bezirke
Der Revierinhaber darf krank geschossenes Wild, das sich auf Grundflächen seines Reviers flüchtet, auf denen die Jagd ruht, verfolgen (Art. 38 BayJG, § 1 AVBayJG) und sich aneignen.
Er darf aber nicht Gebäude, Hofräume oder Hausgärten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayJG betreten. Ihm steht aber auch in diesen Fällen ein Aneignungsrecht zu. Der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigte ist zur Herausgabe verpflichtet.
Über den Autor
Das "Jagdrecht in Bayern" stellt der in der Jagdausbildung erfahrene Jäger und Jurist Alexander Scholl (scholl@jagdrecht-bayern.de) unentgeltlich zur Verfügung.
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Gruß und Waidmannsheil,
von Alexander Scholl und dem Team von Waidwissen