Die Grundlagen der Populationsbiologie sind essentiell für erfolgreiches Wildtiermanagement. Du lernst hier, wie Wildpopulationen funktionieren, wie du sie richtig erfasst und welche biologischen Gesetzmäßigkeiten du für nachhaltige Jagd beachten musst.
- Population: Die Gesamtheit aller Individuen einer Art in einem bestimmten Gebiet, die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden.
- Biologische Einheit: Alle Individuen einer Art, die sich tatsächlich fortpflanzen können
- Orientiert sich an natürlichen Grenzen (Wanderkorridore, Lebensraumgrenzen)
- Kann sich über mehrere Reviere erstrecken
- Beispiel: "Die Rotwildpopulation des Hochgebirges umfasst 800 Tiere in 15 Revieren"
- Wildbestand: Die Summe der Einzeltiere einer Wildart in einem vom Menschen festgelegten Revier zu einem bestimmten Zeitpunkt
- Administrative Einheit: Zahl aller Tiere einer Art in einem Revier zu einem bestimmten Zeitpunkt
- Orientiert sich an menschlichen Grenzen (Reviergrenzen, Eigentumsgrenzen)
- Grundlage für Abschussplanung und behördliche Meldungen
- Beispiel: "45 Stück Rehwild im Revier Musterwald am 1. April"
- Besatz: Alles in einem kleineren Gebiet (z.B. Revier) vorkommende Niederwild (außer Rehwild).
Vernetzte Populationen (Meta-Population)
- Was bedeutet das? - Wildtiere leben oft nicht in einem zusammenhängenden Gebiet, sondern in getrennten "Inseln" mit gelegentlichem Austausch.
- Warum ist das wichtig für Jäger?
- Erklärt Wanderkorridore und Wildwechsel
- Wiederbesiedlung nach lokaler Ausrottung möglich
- Begründet Biotopvernetzung als wichtige Hegeaufgabe
- Natürliche Barrieren zur Populationsabgrenzung:
- Große Flüsse (schwer überwindbare Wasserhindernisse)
- Breite Täler (offene Bereiche ohne Deckung)
- Gebirgsstöcke (physische Hindernisse bei Schalenwild)
- Verkehrsinfrastruktur (Autobahnen, Eisenbahnlinien)
- Grundbestand: Wildbestand am 1. April (Beginn des Jagdjahres)
- Ausnahme: Gamswild wird am 1. Juni erhoben
- Sommerbestand: Grundbestand plus Zuwachs (maximaler Bestand im Jahr)
- Schwarzwild-Besonderheit: Grundbestand aller Stücke ohne Zuwachs desselben Jahres (Grund: Kontinuierliche Reproduktion)
Einflussfaktoren auf den Zuwachs
- Günstigen Lebensbedingungen → höherer Zuwachs
- Witterung (Wetter) hat großen Einfluss
- Populationsdichte
Die Populationsstruktur beschreibt die Zusammensetzung einer Wildpopulation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dazu werden folgende Kennwerte erhoben:
- Wilddichte: Anzahl Tiere pro Fläche (z.B.10 Stück Rehe auf 100 Hektar)
- Geschlechterverhältnis: Verteilung männlich
/weiblich (z.B. Bock:Ricke = 1:1) - Altersverteilung: Anteil verschiedener Altersklassen
- Natürliches Verhältnis: Bei Geburt nahe 1:1 bei den meisten Schalenwildarten
- Jagdliche Selektion kann dieses Verhältnis stark verschieben
- Überschuss an weiblichen Tieren: Störung des Reproduktionsgeschehens
- Bei Rotwild: Verlängerte, unruhige Brunft
- Wenige Hirsche stark gefordert → geringere Befruchtungsrate
- Später gesetzte Kälber mit schlechteren Überlebenschancen
- Moderne Abschussrichtlinien: Ziel ist ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis von 1:1
- Gesunde Population:
- Pyramidenform mit breiter Basis aus vielen Jungtieren (Populationspyramide)
- Wird zu höheren Altersklassen stetig schmaler
- Normaler Zuwachs und Abgang im Gleichgewicht
- Gestörte Altersstruktur: "Löcher" oder "Einschnürungen" in der Pyramide
Die Populationsdynamik beschreibt die zeitliche Veränderung der Population als Ergebnis von Zuwachs und Abgang.
Vereinfacht:
Faktoren
- Fruchtbarkeit: Geburtenzahl und Wildzuwachs (abhängig von Art, Lebensraum und Nahrungsverfügbarkeit)
- Natürliche Sterblichkeit: Abgänge ohne Jagd (Alter, Krankheit, Winter, Prädation).
- Jagdliche Sterblichkeit: Steuerbarer Anteil der Gesamtmortalität.
- Wanderung: Zu-
/Abwanderung; besonders relevant bei Rotwild, Gamswild und Schwarzwild.
Die Populationsdynamik wird durch Geburt und Tod innerhalb der Population bestimmt. Beide Faktoren hängen stark von der Wilddichte ab:
- Bei niedriger Dichte: Hohe Geburtenrate, niedrige Sterblichkeit → Population wächst
- Bei hoher Dichte: Niedrige Geburtenrate, hohe Sterblichkeit → Population schrumpft
- Bei Tragfähigkeitsgrenze: Geburten ≈ Todesfälle → Population stabilisiert sich
Die Sterblichkeit einer Wildpopulation setzt sich aus verschiedenen Ursachen zusammen:
- Alter und Krankheit
- Nahrungsmangel
- Raubwild
- Verkehr
- Abschuss
Funktionsweise: Tritt ein Sterblichkeitsfaktor verstärkt auf (z.B. Abschuss), werden andere Faktoren (z.B. Krankheit, Nahrungsmangel) weniger wirksam. Die Population begrenzt sich auf jene Höhe, die im jeweiligen Lebensraum möglich ist.
- Tragbare Wilddichte: Anzahl an Wildtieren, die ein Gebiet nachhaltig verkraftet
- Wilddichte: Anzahl der Wildstücke einer Art pro 100 ha spezieller Wildfläche.
- Spezielle Wildfläche: Fläche, die Einstand oder Äsung bietet
- Berechnung: Reviergröße (in ha) minus Flächen ohne Äsung oder Deckung
- Abzüge: Befriedete Flächen, Straßen, Gewässer
- Tragbare Wilddichte nach Wildarten auf 100 Hektar (Orientierungswerte):
- Rehwild: 10 Stück (Zählbarkeit kaum möglich.)
- Rotwild: 2 Stück
- Damwild: 5 Stück
- Muffelwild: 2 Stück
Die Bewertungskriterien für die tragbare Wilddichte hängen von den Zielen des Betrachters ab. Der Forstwirt betrachtet sie anders als der Jäger:
- Forstliche Kriterien: Hauptbaumarten sollten sich ohne Schutzvorrichtungen verjüngen
- Jagdliche Kriterien:
- Wildbretgewicht nicht unter der Norm
- Gesundheit des Wildes nicht beeinträchtigt
- Trophäenqualität nicht gemindert
- Realistische Zielsetzung: Exakte Zählung frei lebender Wildtiere ist meist unmöglich
- Ziel: Verlässliche Indizes und Trenddaten
Eine Scheinwerfertaxation ist ein Verfahren zur Zählung von Wildtieren in der Dunkelheit, meist beim Feldhasen.
- Funktionsweise:
- Abends oder nachts fährt man langsam mit dem Auto entlang festgelegter Strecken.
- Mit einem starken Handscheinwerfer werden Tiere im Lichtkegel sichtbar und gezählt.
- Aus der Fahrstrecke und der Leuchtweite berechnet man die Fläche → daraus ergibt sich die Wilddichte (z. B. Hasen pro 100 ha).
- Besonderheiten:
- Geeignet für dämmerungs- und nachtaktive Arten (v. a. Feldhase).
- Durchführung im Frühjahr und Herbst.
- Fahrstrecken bleiben über Jahre gleich → Vergleichbarkeit der Ergebnisse.
- Vorteile: Günstig, zuverlässig, wissenschaftlich anerkannt.
- Standardisierte Methode v.a. für Feldhasen und für Rehwild in Offenlandrevieren
- Stark wachsende Bedeutung
- Eignung: Anwesenheitsnachweis, Aktivitätsmuster
Das Vegetationsgutachten ist ein wichtiges Instrument zur objektiven Bewertung der Wildeinwirkung:
- Untersuchungsparameter: Verbissschäden, Fegeschäden, Schälschäden und Vorkommen von Pionierbaumarten
- Ziele:
- Tragbare Wilddichte objektiv bestimmen
- Potenzial der Naturverjüngung ohne Schutzmaßnahmen bewerten
- Rückschlüsse für die Bewirtschaftung ziehen und in den Abschussplan einfließen lassen