Dieser Artikel führt dich in die Grundlagen des österreichischen Jagdrechts ein. Du lernst die föderale Struktur kennen, verstehst die wichtigsten Bundesgesetze, die das Jagdrecht beeinflussen, und erhältst einen Überblick über die neun Landesjagdgesetze.
Das Fundament des österreichischen Jagdrechts ist in der Bundesverfassung verankert. Gemäß Artikel 15 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes(B-VG) fallen alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen sind, in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Das Jagdrecht gehört zu diesen sogenannten "Generalklausel"-Materien der Länderkompetenz.
Für dich als Jagdschüler ist das entscheidend: Für die Jägerprüfung ist ausschließlich das Jagdgesetz jenes Bundeslandes relevant, in dem du die Prüfung ablegst.
Obwohl die Jagdgesetze Landessache sind, gibt es einen übergeordneten rechtlichen Rahmen aus Bundesgesetzen, der die Jagdausübung in ganz Österreich beeinflusst. Für dein Grundverständnis sind vor allem drei Bundesgesetze entscheidend:
- Waffengesetz (WaffenG): Dieses Gesetz regelt alles rund um den Erwerb, den Besitz und das sichere Führen deiner Jagdwaffen. Ohne waffenrechtliche Verlässlichkeit keine Jagd.
- Tierschutzgesetz (TSchG): Es setzt den rechtlichen Rahmen für den Umgang mit Tieren. Wichtig für dich: Die weidgerechte Jagd wird hier ausdrücklich als "vernünftiger Grund" für das Töten eines Tieres anerkannt.
- Forstgesetz (ForstG): Es regelt die Waldwirtschaft und enthält die entscheidenden Bestimmungen zur Vermeidung von Wildschäden.
Das heutige Jagdrecht ist das Ergebnis einer langen Entwicklung:
- Feudales Jagdrecht: Ursprünglich war die Jagd ein Regalrecht, also ein exklusives Privileg des Adels und des Klerus. Aus dieser Zeit stammt die Einteilung in "Hochwild" (dem Hochadel vorbehalten) und "Niederwild".
- Revolution 1848: Das Kaiserliche Patent von 1849 schaffte einen Meilenstein: Das Jagdrecht wurde untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden. Dies etablierte das bis heute gültige Reviersystem (Eigen- und Genossenschaftsjagden).
- Föderale Entwicklung: Anfang des 20. Jahrhunderts ging die Gesetzgebungskompetenz an die Länder über. Nach einer Unterbrechung durch das deutsche Reichsjagdgesetz (1938-1945) wurde die föderale Struktur wiederhergestellt.
- Name des Gesetzes:Gesetz über die Regelung des Jagdwesens (Wiener Jagdgesetz)
- Abkürzung: W-JG
Das Jagdrecht ist das aus dem Eigentum an Grund und Boden fließende Recht zur Hege des Wildes und zur Ausübung der Jagd.
Es umfasst drei zentrale Befugnisse:
Die Jagdausübung umfasst folgende vier Handlungen:
- Aufsuchen
- Nachstellen
- Erlegen
- Fangen
Das Aneignungsrecht ist die ausschließliche Befugnis des Jagdausübungsberechtigten, sich das Wild (erlegt oder verendet), dessen abgetrennte Teile (Trophäen), Abwurfstangen und Gelege anzueignen - also in Besitz zu nehmen. Zuvor ist Wild in der freien Natur "herrenlos" und gehört Niemandem.
Vorsicht: Das Aneignungsrecht bezieht sich auf Wild. Es gilt nicht für Tiere, die dem Naturschutzrecht unterliegen.
2.4. Jagd als Kulturgut und Brauchtum
Oberösterreich verankert die Jagd an zwei Stellen des Jagdgesetzes explizit als Kulturgut. Zunächst wird die Jagd "als Teil der Landeskultur" bezeichnet (§ 2 Abs. 2 Oö. JG 2024) und außerdem dem Landesjagdverband die "Pflege der Jagdkultur" aufgetragen (§ 71 Z 11 Oö. JG 2024).
Es ist entscheidend, zwischen zwei verschiedenen Rechtspositionen zu unterscheiden:
- Der Grundeigentümer ist immer der Jagdverfügungsberechtigte
- Er kann über das Jagdrecht verfügen (verpachten, selbst ausüben, etc.)
- Er bleibt Träger des Jagdrechts, auch wenn er es verpachtet
- Die Person, die das Jagdrecht tatsächlich ausübt
- Meist der Jagdpächter, der das Jagdrecht vom Eigentümer gepachtet hat
- Bei Eigenjagden kann der Grundeigentümer selbst der Jagdnutzungsberechtigte sein
- Benötigt eine gültige Jagdkarte zur Ausübung
Das Jagdjahr ist der rechtliche Zeitraum, nach dem sich alle jagdlichen Termine richten (Pachtverträge, Abschussstatistiken, Verwaltung).
Beginn und Ende des Jagdjahres in den Bundesländern:
Das Jagdjahr dauert vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember (Kalenderjahr) (§ 11 Abs. 2 W-JG).
Die Jagdperiode ist ein mehrjähriger Zyklus von Jagdjahren. Sie ist vor allem für die Feststellung der Jagdgebiete und die Dauer von Pachtverträgen von zentraler Bedeutung ist.
Die Jagdperiode schafft Stabilität und Planungssicherheit für Jagdausübungsberechtigte und Grundeigentümer.
Die Länge der Jagdperiode variiert von Bundesland zu Bundesland:
Die Jagdperiode beträgt neun Jahre (§ 12 Abs. 1 Bgld- JagdG 2017).
Die Weidgerechtigkeit ist der ethische Kompass und ein zentraler Rechtsbegriff in allen neun Landesjagdgesetzen. Sie beschreibt die Gesamtheit der Regeln für eine anständige, tierschutzkonforme und faire Jagd.
"Die Jagd ist in einer allgemein als weidgerecht anerkannten Weise auszuüben." (Beispielhafte Formulierung)
Durch die Aufnahme ins Gesetz wird dieser Ehrenkodex zu einem rechtlich einklagbaren Standard. Die Gesetze konkretisieren die Weidgerechtigkeit durch Listen von sachlichen Verboten.
Zur Weidgerechtigkeit gehören:
- Tierschutz: Vermeidung unnötiger Qualen für das Wildtier (z.B. schnell tötender, sicherer Schuss, qualifizierte Nachsuche)
- Achtung vor dem Geschöpf: Respektvoller Umgang mit dem Wild (z.B. Muttertierschutz)
- Artenschutz: Erhaltung der Artenvielfalt und ihrer Lebensräume
- Sachkunde: Fachgerechtes und verantwortungsvolles Handeln des Jägers
- Brauchtum: Einhaltung anerkannter jagdlicher Sitten (oft sekundär zur Tierethik)
- Verhalten: Angemessenes Verhalten gegenüber Jagdnachbarn und Mitjagenden
Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege untrennbar verbunden. Ziel ist die Erhaltung und Entwicklung eines artenreichen, gesunden und dem Lebensraum angepassten Wildbestandes.
Ein zentraler Grundsatz ist das Verbot der Überhege: Es ist untersagt, eine Wildart so stark zu hegen, dass die natürliche Äsung des Lebensraums (Nahrungsangebot für das Wild) nicht mehr ausreicht.
Die Jagd findet in einer Kulturlandschaft statt. Die Jagdgesetze fordern daher Rücksichtnahme.
Vorrang der Land- und Forstwirtschaft: Der Grundsatz "Wald vor Wild" ist in fast allen Gesetzen verankert und legitimiert behördliche Maßnahmen wie Mindestabschüsse bei untragbaren Wildschäden.
Wien verankert die Verpflichtung zur Berücksichtigung der "Interessen der Land- und Forstwirtschaft" bei der Jagdausübung und Wildhege. Zusätzlich regelt es den "Schutz der Waldkultur" durch Fütterungspflichten (§§ 2, 81 W-JG).
Welche Tierarten in Österreich als "Wild" gelten und somit dem Jagdrecht unterliegen, ist der Kern der neun Landesjagdgesetze. Die Listen der jagdbaren Arten und die dazugehörigen Jagd- und Schonzeiten variieren zwischen den Bundesländern erheblich.
Für das Verständnis ist eine juristische Unterscheidung zentral:
- Listung im Jagdgesetz: Das Landesjagdgesetz legt fest, welche Tierarten grundsätzlich als "Wild" gelten. Damit untersteht eine Art dem Jagdrecht und gilt grundsätzlich als jagdbar.
- Festlegung der Jagdzeit: Ob eine als "Wild" definierte Art tatsächlich bejagt werden darf, entscheidet sich erst in einer Jagd- oder Schonzeitenverordnung oder direkt im Gesetz. Nur wenn für eine Art eine Jagdzeit festgelegt ist, ist sie tatsächlich bejagbar. Wird eine ganzjährige Schonzeit verordnet, ist die Jagd nicht erlaubt.
Zusätzlich wird das Jagdrecht der Länder durch übergeordnetes EU-Recht beeinflusst. Streng geschützte Arten wie Wolf, Luchs oder Biber unterliegen daher selbst dann einem umfassenden Schutz, wenn sie im Jagdgesetz als Wildart geführt werden.
Schalenwild
Niederwild/Haarwild
Raubwild
Großraubtiere
Federwild
Sonstige
Die rechtlichen Status vieler Wildarten zeigen die Komplexität des österreichischen Jagdrechts. Insbesondere bei EU-rechtlich geschützten Arten haben sich spezielle Regelungen etabliert.
Großraubtiere (Wolf, Luchs, Bär)
- Schutzstatus: Streng geschützt durch die EU-FFH-Richtlinie und daher in allen Bundesländern ganzjährig geschont. Eine reguläre Jagd ist ausgeschlossen.
- Sonderfall Wolf: Als Reaktion auf zunehmende Konflikte haben mehrere Bundesländer spezielle Wolfsverordnungen erlassen.
- Diese erlauben die Entnahme von definierten "Risiko-" oder "Schadwölfen".
- Rechtlicher Hinweis: Dies ist keine Jagd im Sinne des Gesetzes, sondern eine behördlich legitimierte Managementmaßnahme zur Schadensabwehr.
- Luchs und Bär: Für Luchs und Bär bestehen mangels Konfliktdruck keine Ausnahmeverordnungen. Sie genießen weiterhin uneingeschränkten Schutz.
Biber
- Doppelter Rechtsstatus: Der Biber ist ein "Wanderer zwischen den Rechtsmaterien". Sein Status variiert je nach Bundesland:
- In manchen Ländern ist er jagdbar, aber ganzjährig geschont.
- In anderen fällt er ausschließlich unter das Naturschutzgesetz.
- Praktische Konsequenz: Für jegliche Eingriffe (z.B. Dammabtrag, Entnahme) ist aufgrund des strengen Schutzes durch die FFH-Richtlinie eine Ausnahmebewilligung der Naturschutzbehörde erforderlich.
Raufußhühner (Auer-, Birkwild)
- Schutzstatus: Diese traditionellen Wildhühner sind durch die EU-Vogelschutzrichtlinie streng geschützt und daher in den meisten Bundesländern ganzjährig geschont.
- Ausnahmeregelungen: In Bundesländern mit stabilen Populationen existieren Ausnahmeverordnungen, die eine streng limitierte Jagd ermöglichen.
- Diese erlaubt eine Entnahme von Hähnen.
- Die Freigabe basiert auf jährlichen Zählungen und exakten Quoten.
Rabenvögel (Rabenkrähe, Elster)
- Schutzstatus: Auch diese Arten sind durch die EU-Vogelschutzrichtlinie grundsätzlich geschützt.
- Regulierung: Eine Entnahme zur Abwehr von Schäden erfolgt in vielen Bundesländern nicht über das Jagdrecht, sondern über naturschutzrechtliche Ausnahmeverordnungen.
Das Jagdrecht ist ein effektives Instrument zur Regulierung von invasiven, gebietsfremden Arten(Neozoen). Viele Landesjagdgesetze haben problematische Arten wie Waschbär oder Marderhund in die Liste der jagdbaren Tiere aufgenommen, meist ohne Schonzeit. Die Regelungen unterscheiden sich zwischen den Bundesländern:
Auf der EU-Liste stehen:
- Bisamratte
- Marderhund
- Nutria
- Waschbär
- Heiliger Ibis
- Nilgans
- Schwarzkopf-Ruderente